Chronische Abszesse oder Fisteln in intimen Bereichen sind kein Thema, das Betroffene gerne in der Öffentlichkeit thematisieren. Dabei ist der Leidensdruck sowohl physisch als auch psychisch meist groß. Die Wiesbadener Lenicura GmbH bietet die weltweit erste physikalische Therapie zur Behandlung dieser Erkrankung namens Akne inversa (Ai) / Hidradenitis suppurativa an. Ergänzend zu dieser LAight-Therapie benannten Behandlung will das Unternehmen nun eine Digitale Gesundheitsanwendung (DiGA) entwickeln. Mittels dieser sollen die in Schüben verlaufende Erkrankung dokumentiert, mit Hilfe von Künstlicher Intelligenz individuelle Profile der Patienten erstellt und die Versorgung verbessert werden. Die Kosten der Entwicklung dieser App werden von der Hessischen Landesregierung durch das Programm Distr@l mit 155.081 Euro für zwei Jahre gefördert. Das Gesamtvolumen der Entwicklung der DiGA beläuft sich auf rund 440.000 Euro.
„Solche Projekte zeigen eindrücklich die Bedeutung unseres Förderprogramms. Die App ist nicht nur ein hessisches Best-Practice-Beispiel für herausragende digitale Innovationen, sondern es verhilft Menschen mit einer derartigen Beeinträchtigung zu mehr Lebensqualität. Genau diesen Ansatz verfolgen wir bei all unseren Bestrebungen: Digitalisierung soll den Menschen dienen“, sagt Digitalministerin Prof. Dr. Kristina Sinemus.
Projekt DiGa für Akne inversa-Betroffene
Akne inversa ist erblich und führt bei Betroffenen – rund 800.000 Menschen deutschlandweit – zu Schmerzen, Bewegungseinschränkungen und sozialer Stigmatisierung. Die eitrigen, chronischen Entzündungen in Hautfalten konnten bisher meist nur durch die operative Entfernung ganzer Hautareale behandelt werden. Die vor rund vier Jahren zugelassene LAight-Therapie kombiniert elektromagnetische Wellen mit spezifischen Wirkmechanismen in tiefen Hautschichten und ist somit deutlich sanfter. Seit dem 1. April bezahlt die erste Krankenkasse in Hessen ihren Versicherten diese Therapie, womit Hessen Vorreiter ist. „Mit der DiGA können wir einen weiteren Schritt zur idealen Patientenbetreuung gehen“, erläutert Lenicura-Geschäftsführerin Dr. Katharina Hennig. „Basis ist eine von Experten entwickelte Krankheitsdatenerhebung. Durch multivariate Analyseverfahren werden relevante Einflussfaktoren bestimmt und daraus Profilalgorithmen abgeleitet. Anhand dieser Algorithmen erhält jeder Patient ein individuelles Profil.“ Da die DiGA als selbstlernendes System programmiert sei, könne jeder neu eingegebene Datensatz in die Grundgesamtheit der Datenbasis integriert werden. Mittels der App können die Teilnehmenden ihr Krankheitsgeschehen dokumentieren, was den Informationsfluss zu den behandelnden Ärzten verbessert. Der Medizinproduktehersteller Lenicura erachtet die Zielgruppe als ideal für die volle Entfaltung der DiGA. Denn Ai-Patienten sind im Schnitt 38 Jahre jung und entsprechend technologieaffin.
Das Projekt DiGA ist im Januar gestartet. Lenicura hat seitdem schon den Software-Entwickler, der durch Distr@l finanziert wird, eingestellt und technische und konzeptionelle Vorbereitungen für die Entwicklung der App getroffen. Zudem wurde eine Kooperation mit Experten eingegangen und die grundlegende Datenerhebung finalisiert. „Das Distr@l-Förderprogramm hebt sich durch seinen hohen Praxisbezug sehr positiv von anderen Förderprogrammen ab. Die Risikoreduktion durch die Erstattung eines Teils der Personalkosten ermöglicht es unserem jungen Unternehmen, einen nächsten digitalen Entwicklungsschritt zu gehen, den wir sonst wahrscheinlich nicht gewagt hätten“, freut sich die Geschäftsführerin von Lenicura, dem Preisträger in der Kategorie „Innovative Geschäftsidee“ beim Hessischen Gründerpreis 2018.
Große Resonanz beim Förderprogramm Distr@l
„Lenicura hat durch seine Erfahrungen in der Behandlung von Akne inversai-Patienten umfangreiche Erfahrungen und gute Kontakte zu den Betroffenen. Mit der App kann sich dieses noch junge Unternehmen ein weiteres Standbein schaffen, was wir als Hessische Landesregierung sehr gerne unterstützen“, betont Ministerin Sinemus. „Es gibt in Hessen so viele gute Ideen, wie Digitalisierung zu einer Erleichterung und Verbesserung im Alltag beitragen kann. Dies zeigt auch die riesige Resonanz auf unser Distr@l-Förderprogramm, das durch die Corona-Pandemie noch einmal zusätzlich Bedeutung gewonnen hat.“ Das Förderprogramm Distr@l ist Ende 2019, also vor der Corona-Pandemie, gestartet. Bis jetzt sind bereits mehr als 420 Anfragen und mehr als 200 Konzepte eingegangen. Bewilligt wurden bisher 30 Projekte mit einem Gesamtfördervolumen von 7,6 Millionen Euro. Aktuell befinden sich 33 weitere Projekte mit einem Bewilligungsvolumen von knapp 10 Millionen Euro im Antragsverfahren. Für Projekte mit Corona-Bezug wurden die Mittel aus dem Sondervermögen des Landes Hessen deutlich aufgestockt.
Das Förderprogramm Distr@l adressiert digitale angewandte Forschungs- und Entwicklungsprojekte mit Akteuren aus Hessen. Die antragsberechtigen Zielgruppen erstrecken sich von kleinen und mittleren Unternehmen über Start-ups bis hin zu Hochschulen und Forschungseinrichtungen. Gefördert werden Einzel- sowie Verbundvorhaben, die den Stand der digitalen Technik signifikant erhöhen. Das Förderprogramm ist explizit themenoffen konzipiert und legt den Fokus auf digitale anwendungsbezogene Vorhaben. Mit den vier Förderlinien stellt das Programm ein einzigartiges Fördersystem dar, das zielgruppenorientiert auf die Herausforderungen der digitalen Transformation in Wirtschaft und Gesellschaft reagiert und sich komplementär in die Förderlandschaft des Landes einfügt. Dieses breite Angebot von Machbarkeitsstudien (Förderlinie 1), über digitale Produkt- und Prozessinnovationen (Förderlinie 2) und Wissens- und Technologietransfer (Förderlinie 3) bis hin zu Spin-off-Förderung an Hochschulen sowie Wachstumsförderung in Start-ups (Förderlinie 4) ermöglicht es, neue Lösungen und Projektideen im Kontext digitaler Technologien zu gestalten und umzusetzen