Eines der drängendsten Probleme behinderter Mitbürgerinnen und Mitbürger ist für die hessische Landesbehindertenbeauftragte Rika Esser aktuell deren sehr hohes Infektionsrisiko in der vierten Corona-Welle. „Menschen mit Behinderungen gehören überwiegend zu den vulnerablen Gruppen in unserer Gesellschaft“, so Esser. Sie führt weiter aus, dass durch deren Vorerkrankungen das Risiko, einen schweren Covid-19-Verlauf zu erleiden, überdurchschnittlich hoch sei. Gleichzeitig könnten beispielsweise pflegebedürftige Menschen sich durch Selbstisolation nicht so leicht vor einer Infektion schützen. Ihr Pflegebedarf mache, so die Landesbeauftragte, die regelmäßige Interaktion mit einer häufig größeren Zahl von Personen notwendig. Zudem sei das Einhalten des Mindestabstandes während der pflegerischen Handlungen nicht möglich.
„Daher fordere ich die rasche Umsetzung der von der Bundesregierung angekündigten Impfpflicht für alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Medizin- und Pflegeberufen. Das Vorhaben darf nicht auf die lange Bank geschoben werden, da sonst wertvolle Zeit verloren geht“, sagt Esser. Die Impfpflicht müsse sowohl für stationäre Einrichtungen wie auch für ambulante Dienste gelten. Sie dürfe nicht nur auf Krankenhäuser beschränkt werden. Dabei müsse die Impfpflicht Fach- und Hilfskräfte gleichermaßen einschließen. „Eine pflegebedürftige Person kann sich schließlich nicht einfach aussuchen, von wem sie gepflegt wird.“ Daher seien diese Menschen der Landesbeauftragten zufolge dem Virus gegebenenfalls schutzlos ausgeliefert. „Es wurde lange genug versucht, die Menschen mit Überzeugungsarbeit und Anreizen zum Impfen zu bewegen. Das hat jedoch nicht ausgereicht“, so Esser.
Impfpflicht wird nicht zur Abwanderung von Pflegekräften führen
Die von Seiten der Berufsverbände geäußerte Sorge, die Berufsgruppen verlören so dringend benötigte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, lässt die Landesbeauftragte nicht gelten: „Sollte sich eine ungeimpfte Person infizieren – und das wird früher oder später der Fall sein – fällt sie quarantäne- und krankheitsbedingt ohnehin länger aus oder erleidet sogar gesundheitliche Langzeitschäden“, so die Landesbeauftragte weiter. Zudem zeigen Beispiele aus anderen Ländern wie Frankreich, dass die Impfpflicht nicht zu einem Exodus der Pflegekräfte, sondern zur gewünschten Erhöhung der Impfquote geführt und somit Menschenleben gerettet hat.
Am 3. Dezember begeht die Weltgemeinschaft alljährlich den Internationalen Tag der Menschen mit Behinderungen. Der Gedenk- und Aktionstag geht auf die Resolution 62/127 der Vereinten Nationen aus dem Jahr 1993 zurück. In seinem Umfeld sollen der internationalen Öffentlichkeit die Hürden ins Bewusstsein gerufen werden, denen sich Menschen mit Behinderungen täglich gegenübersehen. Der Tag steht dieses Jahr unter dem Motto „Ein besseres Zurück: hin zu einer behindertengerechten, zugänglichen und nachhaltigen Post-COVID-19-Welt“.