Die iranische Musikerin, Dichterin, Schriftstellerin und Aktivistin Sahar Ajdamsani ist die neue Stipendiatin im Landesprogramm „Hafen der Zuflucht Hessen“. Mit dem Programm vergibt das Land in Zusammenarbeit mit dem Verein Gefangenes Wort e. V. Stipendien an Menschen, die wegen ihrer literarischen, journalistischen, verlegerischen oder künstlerischen Tätigkeiten unterdrückt werden. Nun lebt und arbeitet Sahar Ajdamsani mit Hilfe des Stipendiums in Gießen – in Sicherheit vor den Verfolgungen in ihrem Heimatland. Kunst- und Kulturministerin Angela Dorn hat die Stipendiatin heute in Gießen begrüßt.
Sicherer Platz zum Leben und Arbeiten
„Die freie Meinungsäußerung ist weltweit in Gefahr. In vielen Ländern werden Menschen unterdrückt, verfolgt und verhaftet, weil sie für bessere Verhältnisse streiten. Ihnen wollen wir mit dem ,Hafen der Zuflucht Hessen‘ und den daraus finanzierten Stipendien einen sicheren Platz zum Leben und Arbeiten bieten“, so Kunst- und Kulturministerin Angela Dorn bei ihrem Besuch in Gießen. „Sahar Ajdamsani kämpft mit ihrem preisgekrönten Werk für Gleichberechtigung und Frauenrechte. Sie ist eine mutige, beeindruckende Aktivistin, die wir gern in Hessen willkommen heißen. Nach dem ersten Stipendium, das wir im vergangenen Jahr in Kassel vergeben haben, begrüßen wir nun unsere zweite Stipendiatin in Mittelhessen – und können hier auf starke Unterstützung zählen: Ich danke dem Verein Gefangenes Wort e. V. herzlich für seine ausführliche Recherche, die nah dran war am Menschen und die Situation vieler potenzieller Stipendiatinnen und Stipendiaten in den Blick nahm –eine Auswahl unter Schicksalen zu treffen, ist nicht leicht. Der Stadt Gießen danke ich herzlich für ihre Hilfe bei der Wohnungssuche. Gemeinsam setzen wir uns dafür ein, dass Ajdamsani weiter Verfolgten eine Stimme geben kann.“
Musik brachte Restriktionen ein
Die heute 26-jährige Sahar Ajdamsani studierte Archäologie, ihrer Liebe zur Kunst blieb sie aber treu und erlebte damit immer wieder Restriktionen: Viele ihrer Gedichte und Lieder wurden zensiert. Für Auftritte in Teheran beschränkte sie ihr Publikum auf Frauen, machte keine Werbung und beschränkte den Veranstaltungsort auf eine Größe, die klein genug war, um unerwünschte Aufmerksamkeit zu vermeiden. 2021 veröffentlichte sie gemeinsam mit anderen Künstlerinnen und Künstlern den Song „Quarantine World“, der ihr eine Vorladung und Schikanen des iranischen Geheimdienstes einbrachten. Ajdamsani floh erst in den Irak und lebt seit Juni 2022 in Deutschland im Exil. Mitte Januar brachte sie das Stipendium von „Hafen der Zuflucht Hessen“ nach Gießen.
„Die Universitätsstadt Gießen blickt mit Stolz auf ihre seit Jahrzehnten andauernde Tradition, Menschen, die aus ganz unterschiedlichen Gründen und aus verschiedenen Heimatländern fliehen müssen, einen sicheren Zufluchtsort zu bieten. Wir freuen uns, dass unsere Stadt für Frau Ajdamsani für die nächste Zeit ein Zuhause sein wird. Gerne helfen wir dabei Kontakte zu hiesigen Künstlerinnen und Künstlern herzustellen, um Frau Ajdamsani ein anregendes Umfeld für ihre weitere Arbeit zu geben. Gießen hat eine sehr vitale Szene, die stets offen für neue Akteurinnen und Akteure ist; erst recht für eine so inspirierende und politisch engagierte Frau wie Sahar Ajdamsani", ergänzt Gießens Oberbürgermeister Frank-Tilo Becher.
150.000 Euro stehen für das Programm bereit
Im Jahr 2023 stehen für das Programm 150.000 Euro zur Verfügung. Bereits im vergangenen Jahr konnte kurzfristig, noch vor dem offiziellen Programmstart, ein Stipendium an die ukrainische Lyrikerin und Übersetzerin Victoria Feshchuk vergeben werden. Sie traf im Juli 2022 in Kassel ein und bleibt noch bis mindestens Ende März. Danach wird sie entscheiden, ob sie in ihre Heimat Ukraine zurückkehrt und sich vor Ort einbringt. Das Stipendium für Sahar Ajdamsani ist das erste in Gießen, auf ein Jahr angelegt und kann bei Bedarf um ein weiteres Jahr verlängert werden. Wenn sie danach bleiben möchte, wird der Verein Gefangenes Wort e. V. sie bei einem Asylantrag unterstützen.
„Beim ,Hafen der Zuflucht‘ ist eine verantwortungsvolle Planung essentiell. Gerade bei politisch Verfolgten spielen die Situation der zurückgebliebenen Familie, Rechtsbeistand oder eventuelle Traumata eine Rolle. Die beiden Stipendien in Gießen und Kassel sind ein sehr guter Start – gemeinsam mit Gefangenes Wort und den Städten setzen wir alles daran, den beiden Frauen unsere größtmögliche Unterstützung zu bieten“, so Kunst- und Kulturministerin Angela Dorn.