Hessens Kunstministerin Angela Dorn erwartet vom Aufsichtsrat der documenta und Museum Fridericianum gGmbH ein gemeinsames Vorgehen, um den für die Kunstausstellung entstandenen Schaden zu minimieren. „Dass am Eröffnungswochenende eindeutig antisemitische Motive auf der documenta fifteen zu sehen waren, hätte niemals passieren dürfen“, betonte die Ministerin in einer Rede im Hessischen Landtag. „Die Krisenbewältigung und Kommunikation durch die Verantwortlichen der documenta gGmbH haben den erheblichen Schaden bisher nicht beheben können. Es gab zwar den wichtigen Schritt, dass das Bild abgehängt wurde, aber es sind leider auch weitere Irritationen entstanden. Aus meiner Sicht darf es so nicht weitergehen, wenn wir verhindern wollen, dass diese weltweit bedeutende Kunstausstellung nachhaltig Schaden nimmt.“
„In den vergangenen Tagen habe ich mich sehr darum bemüht, unter den beiden Gesellschaftern der documenta gGmbH Einigkeit darüber herzustellen, wie wir das Geschehene bewerten und wie wir weiter vorgehen“, so Ministerin Dorn weiter. „Wir brauchen eine gemeinsame ehrliche Analyse: Wie und warum konnte es dazu kommen, dass diese Motive ausgestellt wurden? Was ist im Umgang damit falsch gelaufen? Mit welchen Experten und Strukturen werden weitere Werke hinsichtlich des Themas Antisemitismus analysiert? Es ist jetzt an der Zeit, dass der Aufsichtsrat dazu gemeinsam Position bezieht. Das Land Hessen und die Stadt Kassel müssen als Gesellschafter der documenta an einem Strang ziehen, um zu erreichen, dass es eine Verbesserung in der Bewältigung der entstandenen Krise gibt. Und wir wollen aus den Vorfällen für die Zukunft und den Kulturbetrieb insgesamt lernen. Diese Verantwortung liegt nun auf den Schultern der documenta. Daher haben wir als Vertreter des Landes bereits vergangene Woche eine außerordentliche Sitzung des Aufsichtsrates beantragt.“
Kritikfähigkeit und Selbstreflexion bei allen Beteiligten
„Wir sind an einen Punkt gekommen, wo wir gemeinsam einsehen müssen, dass einige Prozesse in der Krisenbewältigung nicht gut laufen. Deshalb ist es aus meiner Sicht wesentlich, dass auch der Aufsichtsrat sich mit Verantwortlichkeiten und Aufarbeitung von Fehlern beschäftigt. Verantwortung für eine ehrliche und nachhaltige Aufarbeitung und Verantwortung dafür, dass wir unser Versprechen einlösen, dass weitere Werke auf der documenta analysiert werden. Ich halte weiterhin ein Expertengremium für dringend notwendig. Wir brauchen eine Struktur, die uns für die laufende documenta, aber auch für die Zukunft Empfehlungen geben kann. Als Wissenschaftsministerin halte ich den unabhängigen Rat der Wissenschaft hier für unverzichtbar. Wir brauchen dabei eine Struktur, in denen Expertinnen und Experten in dieser heiklen und aufgeladenen Situation bereit sind, mitzuwirken. Ein Expertengremium kann einen wichtigen Beitrag leisten, die documenta gGmbH und die künstlerische Leitung in die Lage zu versetzen, eigene verantwortungsvolle Entscheidungen zu treffen.“
„Wichtig für die Aufarbeitung und vor allem für das weitere Vorgehen sind aus meiner Sicht Kritikfähigkeit und Selbstreflexion bei allen Beteiligten – nur so können wir für die Zukunft aus dem Geschehenen lernen. Dabei nehme ich uns als Gesellschafter auch nicht aus. Die Struktur der künstlerischen Leitung, mit einem Kollektiv, das seinerseits Kollektive eingeladen hat, war mutig und neu. Sie hat offenbar aber auch dazu geführt, dass die Sorgfalt und die Verantwortung des Kuratierens gelitten haben. Wir müssen uns fragen, ob die von der documenta geschaffenen Strukturen den entstandenen Herausforderungen ausreichend Rechnung tragen. Vor diesem Hintergrund, aber auch wegen weitergehenden Fragestellungen werbe ich dafür, dass der Aufsichtsrat einen neuen Anlauf für die Veränderung seiner Strukturen nimmt. Landesseitig sind wir bereit, ergebnisoffen hier heran zu gehen. Auch hier steht für uns die ehrliche Analyse im Vordergrund, aus der dann Schlussfolgerungen gezogen werden sollen.“