Innenminister Roman Poseck führte heute in der Regierungserklärung der 5. Plenarsitzung im Hessischen Landtag aus:
„Die Menschen wollen ein sicheres Leben in Freiheit. Gerade in Zeiten großer Herausforderungen und Unsicherheiten nimmt das Bedürfnis nach Sicherheit zu. In Anbetracht kriegerischer und terroristischer Angriffe und eines Erstarkens radikaler und extremer Kräfte, die Ängste schüren und unsere demokratischen Werte bedrohen, ist Innere Sicherheit mehr denn je Garant für unser freiheitliches und demokratisches Miteinander. Wir werden alles dafür tun, dass die Menschen in Hessen sicher leben und sich bei uns auch sicher fühlen können. Innere Sicherheit hat für die schwarz-rote Landesregierung höchste Priorität.
Vergangene Woche Freitag habe ich die Polizeiliche Kriminalitätsstatistik 2023 (PKS) vorgestellt. Diese zeigt einen unerfreulichen Anstieg auf rund 397.500 Straftaten in Hessen. Das kann und sollte uns nicht zufriedenstellen. Auch wenn Hessen nach wie vor ein sicheres Land ist, müssen wir auf die Entwicklungen mit zielgenauen Maßnahmen reagieren. Dabei ist eine stark und gut ausgestattete Polizei für uns von überragender Bedeutung. Die Polizei ist das Herzstück unserer Sicherheitsarchitektur. Die weiterhin hohe Aufklärungsquote von mehr als 63 Prozent ist ein Nachweis der guten Arbeit unserer Polizei, die Tag für Tag pausenlos für die Sicherheit der Menschen im Einsatz ist. Unsere Polizistinnen und Polizisten verdienen Rückendeckung, Wertschätzung und Respekt. Die PKS hat leider auch gezeigt, dass im vergangenen Jahr mehr als 5.000 Polizisten und Polizisten Opfer von gewalttätigen Übergriffen geworden sind, so viele wie noch nie. Dieser traurige Höchststand ist unerträglich und wir müssen diesen Trend umkehren und diejenigen wirkungsvoller schützen, die für unsere Sicherheit einstehen. Mit einem Respektpaket wollen wir die Arbeit der fast 16.000 Polizistinnen und Polizisten würdigen. Ich werde mich dabei auch für die zügige Erhöhung der Polizeizulage auf 160 Euro stark machen. Um unsere Polizei, aber auch Rettungskräfte und Feuerwehren, besser vor Angriffen zu schützen, setze ich mich außerdem für eine Anhebung der Mindeststrafe von drei auf sechs Monate für Angriffe auf Einsatzkräfte ein. So soll eine Umwandlung in eine Geldstrafe künftig ausgeschlossen werden.
Wir treiben auch die sicherheitsrelevante Ausstattung der Polizei voran. So verdreifachen wir aktuell die Zahl der Distanzelektroimpulsgeräte, der sogenannten Taser, damit diese flächendeckend zur Verfügung stehen und Angreifer überall in Hessen auf Distanz gehalten werden können. Auch in Digitalisierung, Künstliche Intelligenz, Drohnen, Smartphones, Tablets und den Fuhrpark der Polizei werden wir weiter deutlich investieren. Wir müssen unseren Sicherheitsbehörden auch den rechtlichen Rahmen zur Verfügung stellen, den sie für erfolgreiche Arbeit in den kommenden Jahren benötigen. Dazu gehört eine rechtssichere Grundlage für die Nutzung von Gesichtserkennungssoftware. Wir werden den Einsatz des Analysewerkzeugs HessenDATA erweitern. Außerdem setzen wir auf die Speicherung und Nutzung weiterer Daten. Dabei steht die 30-tägige Speicherung von IP-Adressen zur erfolgreicheren Bekämpfung des Kindesmissbrauchs, wie Sie wissen, für uns ganz oben. Unsere Kinder verdienen einen wirkungsvolleren Schutz vor den abscheulichen Verbrechen des Missbrauchs.
Als Reaktion auf einzelne Fehler und gefährliche Erscheinungen in der hessischen Polizei in der Vergangenheit wurden bereits wichtige Entwicklungen angestoßen und umgesetzt. Diesen Weg werde ich gemeinsam mit unserer Polizei weitergehen. Dazu gehört für mich ein konsequentes Vorgehen gegen alle Formen des Extremismus. Außerdem werde ich die wichtigen Impulse des Untersuchungsausschusses der vergangenen Legislaturperiode zu dem schrecklichen Anschlag in Hanau aufgreifen und zum Beispiel die Rassismusprävention und Demokratieresilienz in der polizeilichen Ausbildung stärken sowie mich dafür einsetzen, dass die Möglichkeiten, einen Waffenbesitz von psychisch Kranken zu verhindern, erweitert werden.
Im vergangenen Jahr gab es mit 61 Fällen einen Höchststand bei den Geldautomatensprengungen. Die Fallzahlen sind zu hoch, sie müssen sinken. Vergangene Woche habe ich Vertreter der Banken und Kreditwirtschaft zu einem Spitzentreffen eingeladen. Im Anschluss haben sich weitere Banken bereit erklärt, der Allianz Geldautomatensprengung beizutreten, um präventive Anstrengungen wie Verfärbungs- und Verklebungstechniken anzuwenden. Daneben braucht es als repressive Maßnahme eine Veränderung des Strafrahmens, um die skrupellosen Täter abzuschrecken. Vor wenigen Tagen konnte die Polizei durch ihre Präsenz in Mörfelden-Walldorf eine Sprengung verhindern. Zur versuchten Sprengung in Kelkheim konnte ein mutmaßlicher Täter festgenommen werden. Die Entwicklung stimmt also. Unsere Polizei ist den Sprengern auf den Fersen, was auch weitere Festnahmen in diesem Jahr belegen.
Die PKS 2023 legt auch einen Anstieg bei der Straßenkriminalität dar. Viele Straftaten, wie Taschendiebstahl, Raubüberfälle, Körperverletzungsdelikte und Rauschgiftdelikte werden in Innenstädten begangen. Wir handeln auch an dieser Stelle zielgenau und verfolgen eine Innenstadtoffensive gegen Kriminalität als Teil unseres Sofortprogramms. Durch mehr Polizeipräsenz und Kontrollmaßnahmen in Brennpunkten werden wir die Sicherheit in den Innenstädten erhöhen. Wir wollen dabei auch das subjektive Sicherheitsgefühl der Menschen verbessern und gegen Angsträume vorgehen. Mit der Innenstadtoffensive setzen wir dabei Impulse für den Dialog vor Ort. Kommunen können mit Videoschutzanlagen, Waffenverbotszonen oder auch nur einer besseren Beleuchtung ebenfalls Beiträge zur Sicherheit und zur erfolgreichen polizeilichen Arbeit leisten. Ich werde mir bald selbst einen Eindruck von der Umsetzung der Offensive in den Innenstädten verschaffen.
Auch die Fälle der häuslichen Gewalt haben im vergangenen Jahr mit 12.000 einen absoluten Höchststand erreicht. Mehr als 80 Prozent der Opfer sind Frauen; die Taten werden zumeist von Männern verübt. Wir müssen Frauen besser schützen. Deshalb werden wir ein Frauensicherheitspaket auf den Weg bringen, dessen Kernbestandteil der Einsatz der elektronischen Fußfessel im Rahmen des Gewaltschutzgesetzes ist. Mit der Aufnahme des Fußfesseleinsatzes in das Hessische Gesetz über die öffentliche Sicherheit und Ordnung wurde in der vergangenen Legislaturperiode ein Anfang gemacht, den wir in inhaltlicher und zeitlicher Hinsicht nun ausweiten wollen. Die Fußfessel für Frauenschläger ist geeignet, Frauen vor gewalttätigen Ex-Partnern zu schützen, die sich über Kontakt- und Annäherungsverbote hinwegsetzen.
Besonders beschämend ist der Anstieg antisemitischer Straftaten um 224 Prozent im vergangenen Jahr. Ich hätte es vor einem Jahr nicht für möglich gehalten, welchen Anfeindungen und Gefahren jüdisches Leben bei uns heute ausgesetzt ist. Neben einer konsequenten Strafverfolgung kommt es auch an dieser Stelle auf entschlossenes gesellschaftliches Handeln an. Für Antisemitismus darf gerade bei uns kein Platz sein. Daran müssen sich alle halten, auch die, die aus anderen Ländern und Kulturkreisen zu uns gekommen sind. Es ist unerträglich, dass ein öffentliches Bekenntnis zum Judentum bei uns wieder mit Anfeindungen und konkreten Gefahren verbunden ist. Ich möchte in einem Land leben, in dem es gefahrlos möglich ist, sich mit Kippa, mit Kreuz oder mit Kopftuch zu zeigen. Wer das anders sieht, hat von der Werteordnung des Grundgesetzes nichts verstanden.
„Gemeinsam für die Sicherheit in Hessen“, das ist unser Anspruch: Die hessische Landesregierung verfolgt ein Gesamtkonzept, mit dem wir ein sicheres Hessen in den nächsten fünf Jahren gewährleisten werden. Wir setzen auf punktgenaue Maßnahmen, um besonders alarmierende Entwicklungen zu bekämpfen. Und wir bauen auf die vielen Menschen in unseren Sicherheitsbehörden, die sich rund um die Uhr mit Entschlossenheit für unsere Sicherheit einsetzen. Ich lade alle Demokraten herzlich ein, uns auf dem diesem Weg zu unterstützen.“